Corinne Luca
Am liebsten sind mir die Problemzonen, die ich noch gar nicht kenne
KEN. Corinne Luca hat über die »Problemzonen« der Frau ein Buch voller Wahrheiten geschrieben. Kultur- und mediengeschichtlich einwandfrei entgiftet sie den Optimierungs- und Schönheitswahn »für die Frau von 0 bis 99«. – Ich empfehle das Buch Frauen und Männern!
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Corinne Luca wird gerade dann zur investigativen Reporterin, wenn sie in der aufdringlichen Lieblingslektüre zum Frausein für die Frau auf neue Wellen trifft. Das sind Problemzonen, die sie noch gar nicht kannte und die Frauen für maximale Auflagen von den Redaktionen ins Gewissen geschrieben und fotografiert werden.
Schönheitswahn-Detox für die Frau von 0 bis 99
Es geht unter anderem um Tipps zum Abnehmen, solche für den ultimativen Frauenkörper, den härtesten Bauch und Sex ohne Ende. Es geht um Strategien für die beste aller besten Beziehungen und darum, was die Karrierefrau in der Edelhandtasche zum Überleben braucht, wo es ohnehin niemand sieht.
Die Autorin geht solchen Empfehlungen zum zeitgemäßen Frausein mit spitzer Feder und paraten Krallen auf den Grund. Zu naheliegend sind beispielsweise die redaktionellen Beiträge in den Zeitschriften für die Frau mit den unvermeidlichen Produktanzeigen ein paar Seiten weiter. Vieles davon, so sagt Corinne Luca, mag zu einem Bruchteil von Frauen passen. Frei nach dem Problemzonen-Buch: Wer nicht zu den Quotinnen in den Chefetagen gehört, ist deshalb noch lange keine Idiotin.
Welche Frau trägt beispielsweise wie im Film nach einem langen Bürotag mit endlosen Besprechungen in der eigenen Wohnung Pfennigabsätze unter hohen Hacken? Diese Folterschuhe wurden ohnehin nur erfunden, weil ein königlicher Ludwig damit Abstand zum Dreck auf den Straßen Frankreichs halten wollte. Den Spazierstock gab es als passendes Accessoire gleich dazu, damit die Edelperücken nicht nach vorne aus den Latschen kippten.
Corinne Luca schafft immer wieder und ausdauernd bis zum Schluss den Spagat vom Ernst der Lage hin an die Kante der Satire. Mit Sport hat sie ansonsten erst etwas am Hut, seit es Fitnessprogramme auf der Spielekonsole gibt. Die Mutter von zwei Mädchen beschreibt sich als glückliche Ehefrau, die gerne mit ihrem Mann zusammen ist. Weil sie übliche Standards rund um den Schönheitswahn nicht weitergeben will, schaut sie genauer hin und achtet auch auf Kleinigkeiten. Jungs hellblau und Mädchen rosa beispielsweise war ursprünglich genau andersrum.
»Am liebsten sind mir die Problemzonen, die ich noch gar nicht kenne« ist eine Einladung, jede Art von aufgedrängten Bedürfnissen infrage zu stellen, die mit »Kauf mich!« enden und mit Männern vom Mars und Frauen von der Venus begründet werden. Das gilt für jedes Alter, jede Art und jeden Dialekt von Geschlecht.
Am Schönheits- und Optimierungswahn wird jedoch besonders deutlich, wie Frauen Ideale aufgezwungen werden, was auch heißt, sie seien nicht perfekt und zumindest nicht richtig, so wie sie sind. Sich von diesen Vorgaben und scheinbaren Lösungen zu verabschieden, mag für viele Frauen schmerzhaft sein, sagt Corinne Luca. Aber das gehe ihnen beim Waxen der Bikinizone genauso.
Wer sich von diesem Buch inspirieren lassen mag, wird auch Entwicklungen in anderen Bereichen infrage stellen. Dass Lehrerinnen und Lehrer beispielsweise als Drückerkolonne für Hard- und Software missbraucht wurden, dass es keine Sirenen mehr gibt, da man sich den ABC-Alarm ja aufs Smartphone simsen lassen kann. Ein vintage Hörknochen, rein zum Telefonieren, schließt einen von dieser möglicherweise überlebenswichtigen Information bereits aus. Oder dass es im Frühjahr 2017 von heute auf morgen bergeweise Receiver-Schrott gab, weil jeder Haushalt einen neuen Kasten für DVB T2 brauchte, auf dem zu allem Überfluss irgendwas in Umweltgrün mit Freiheit steht.
Bleiben wir beim Optimierungs- und Schönheitswahn, denn alles andere mag jede wie jeder für sich selbst weiterdenken. Corinne Luca empfiehlt Frauen, ihr System von allen Glücksversprechen zu befreien, täglich eine ordentliche Portion Skepsis einzunehmen und sich selbst zu lieben: »Das Leben leben, wie wir wollen, heute und nicht erst in der Zukunft. Mit dem Ich und dem Körper, den wir haben. Mit den Wünschen und Zielen, die uns wichtig sind.«
Das höre sich zwar nach Heidi Klum und Kusshändchen auf Instagram an. Aber da ihre giftigen Gedanken es selten tun, sollten Frauen in einem neuen Umgangston freundlich mit sich umgehen. – Ich finde, das ist ein gelungener und zeitloser Unisex-Schuh. Auch als Mann ziehe ich ihn mir gerne an.