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Ina Schmidt - Auf die FreundschaftIna Schmidt
Auf die Freundschaft

KEN. Ich »kenne« Leute mit 1000 und mehr Freunden. Keiner dieser »Freunde« hat mich jemals gesehen. Ich würde ihnen niemals erzählen, was mir auf der Seele brennt. – Über Freundschaft im Wandel der Zeit schreibt Ina Schmidt. Sogar Facebook hat eine Chance.

 
 

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Bei Freundschaft, so erfahren wir, geht es nach einer Studie aus den 1980er Jahren um drei Dinge:

  1. um den schlichten Wunsch nach Hilfe und Unterstützung in Alltagssituationen;
  2. um »sozialen Rückhalt«, der den Austausch von Erfahrungen um ein gemeinsames geistiges Fundament bereichert, auf dem sich so etwas wie eine gemeinsame Weltanschauung erarbeiten lässt;
  3. um gemeinsame Interessen als Basis einer gemeinsamen Freizeitgestaltung.

Das klingt modern. Trotzdem hat Freundschaft, seit Menschen darüber nachdenken, eine Voraussetzung: Sie beginnt mit einer »einer Form der Liebe, die eben nicht als Leidenschaft, sondern als geistige Verbindung – als Sympathie spürbar wird«, sagt Ina Schmidt.

Aristoteles und Facebook: Was Menschen zu Freunden macht

Wer meint, damit sei sein Lebenspartner/seine Lebenspartnerin sein bester Freund, unterschätzt die Freundschaft. Denn Freunde sind nicht zwangsweise zum Kuscheln da. Freunde sind immer ein bisschen anders und uns gerade durch den Unterschied besonders nahe: Sie dürfen auch einmal anderer Meinung sein und den Finger in die offene Wunde legen, ohne dass wir ihnen deshalb die Freundschaft kündigen. Wir bleiben ihnen dann erst recht geistig verbunden, denn das ist die eigentliche Qualität von Freundschaft.

Freundschaft ist also eine liebevolle Beziehung, und dazu sollte man auch fähig sein. Ina Schmidt philosophiert, dass manchen Managern ihr soziales Leben ziemlich egal ist. Wenn sie dagegen ihr Handy verlören, bekämen sie einen Herzinfarkt. Möglicherweise sind darauf in einer Datei oder Datenwolke ihre Freundschaften gespeichert, ohne die sie schlichtweg nicht existieren.

»Freundschaft« im Datenäther ist eben etwas anderes als funktionierende Offline-Kontakte, Menschen, die einem möglicherweise vor lauter Lachen ihre Spaghetti-Sauce über den Pullover prusten und bei denen man in keiner Weise auf die Idee käme, ihnen das auch noch verzeihen zu müssen. Freunde nehmen lange vor Aristoteles und trotz Mark Zuckerberg an unserem Leben teil, selbst wenn sie sich am anderen Ende der Erde befinden. Sie interessieren sich für uns, sind ein aktiver Teil unseres Lebens, sie freuen sich und trauern mit uns. Sie denken vielleicht sogar an unsere Jahrestage, bevor Facebook automatisch ausschlägt und den Anlass für eine Masseninfo gut findet.

Facebook und richtige Freunde sind für Ina Schmidt in ihren philosophischen Betrachtungen jedoch kein Widerspruch, sondern können einander durchaus ergänzen: »Die Frage ist ... weniger, ob die Menschen neben ihren Facebook-Alben auch noch lebendige Freunde in ihrem Leben haben, sondern wie die Beziehung zu ebendiesen wirklichen Menschen aussieht.«

Viele User nutzen die sozialen Netzwerke als reines Tool, um Kontakte zu (engen) Freunden zu managen, die sie sonst neben ihrem Abwechslungshunger kaum halten könnten. Problematisch wird das erst, wenn die Zeit in der Virtualität keine Zeit mehr für leibhaftige Kontakte zulässt. Ina Schmidt empfiehlt, »wirklich achtsam mit dem Gleichgewicht aus Online und Offline umzugehen«. Wer mit 20 offline bereits ein funktionierendes Netzwerk hat, wird von den digitalen Illusionen nicht verführt, sondern nutzt sie bestenfalls als Unterstützung bei der Organisation des Alltags. »Anders sieht es bei Kindern und Jugendlichen aus, die ihr soziales Leben vorrangig online zu organisieren versuchen und damit so viel Zeit verbringen, dass ihnen schlicht keine Zeit für die 'wirklichen Menschen' in ihrer Umgebung bleibt«.

Freundschaft braucht Zeit und echte Aufmerksamkeit, sagt Ina Schmidt, auch und erst recht bei einem vollen Terminkalender. Freundschaft braucht die Rückmeldung, dass man füreinander da ist, denn wir haben einen angeboren Reflex, nach dem wir durchaus wissen, dass wir nur in sozialen Kontexten überleben können und unsere sozialen Begegnungen deshalb praktisch gestalten sollten.

Nicht jeder flüchtige Kontakt ist danach eine Freundschaft, schon gar nicht der kurze Schmatz in irgendeiner Datenbank, durch den wir uns dann ver-link-t oder ge-like-t haben. Dieses oberflächliche Getue kitzelt unser Belohnungssystem über die Statistik nur kurzfristig. Wieviel mehr ist da eine richtige Begegnung in einem lebendigen und sozialen Rahmen, der darüber entscheidet, ob unser Leben glücklich ist oder nicht? Wahre Freundschaft erfordert nach Ina Schmidt ein inneres Bekenntnis, ein »moralisches Versprechen«, eine ethische Gewissenhaftigkeit, »die einen wahrhaften Freund von einem bloßen Bekannten oder Kumpel unterscheidet«.

Bin ich froh, dass ich Freundschaft lange vor Facebook kennenlernen durfte! Ich bin längst über die 20 segensreichen Jahre mit einigermaßen funktionierenden sozialen Kontakten hinaus. Mir ist damit die Oberflächlichkeit eines anonymen Freundschafts-Marketingtools als non-plus-ultra der Freundschaft erspart geblieben. Ich muss meine wirklichen Freunde nicht einmal über die ach so »sozialen« Netzwerke organisieren. Auch wenn ich weit von den 1000 weg bin, reichen mir die wenigen, die ich persönlich kenne und die ich aufrichtig gerne in den Arm nehme. Irgendwie rufen wir uns immer dann zufällig an, wenn einer den anderen braucht. Selten hat »es« dann nicht »gepasst«.

Natürlich hat mich der eine oder die andere schon aus ihrem Beziehungsnetz entfernt. Im Idealfall haben wir darüber gesprochen statt einfach mit einem Mausklick auf »Löschen« diesen Teil der Beziehungsdatei zu streichen.

Wirkliche Freundschaft ist niemals Masse und niemals virtuell. Selbst die Organisation der Kontakte mit Freunden stelle ich nach Ina Schmidt infrage: Wer sich andauernd nur zufällig mit jemandem trifft, der im passenden Radius auf der gleichen App erkennbar ist, sollte sich fragen, ob er es mit wirklichen Freunden zu tun hat.

Ina Schmidt lässt Aristoteles, Platon, Cicero, Kant sowie die eher zeitgenössischen Denker Hannah Arendt, Albert Camus, Jean-Paul Sartre oder Antoine de Saint-Exupery zu Wort kommen. Die hatten sicher noch nichts mit Web 2.0 zu tun. Aber sie hätten bestätigt, dass Freundschaft nichts rein Virtuelles sein kann.

Ich persönlich fand die Rückschlüsse auf die Gegenwart in »Auf die Freundschaft« spannend und glaube fest daran, dass mein altes Freundschafts-Weltbild weiterhin berechtigt ist. Ob die Mehrzahl der Hardcore-Vertreter von virtuellen Freundschaften sich jedoch auf solch lange Strecken mit Kant und Camus noch einlassen mag? Vielleicht braucht es in einem Folgeband direktere Gebrauchsanweisungen für die Pflege von offline-Freundschaften. Wie denken wohl Mark Zuckerberg und Herr Apfel jenseits des Geschäfts darüber?



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