Kati Hiekkapelto
Die Schutzlosen
KEN. Kati Hiekkapelto schreibt in ihrem neuen Buch über ein aktuelles Thema: über Flüchtlinge, die orientierungslos in kriminellen Umgebungen zu überleben versuchen. »Die Schutzlosen« spielt in Finnland, und Anna Fekkete, die Ermittlerin in diesem Fall, ist selbst eine Frau mit Migrationshintergrund.
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Sammy ist in Finnland als asylsuchender Christ aus Pakistan registriert. Er hat versucht, außerhalb des Auffanglagers seine offizielle Unterstützung mit gelegentlichen Jobs aufzubessern. Obwohl er drogenabhängig ist und alles tun würde, um sein Subotex als Heroin-Ersatz zu bekommen, gibt es für ihn eine klare Grenze, wenn es um das Eigentum anderer Menschen geht. Niemals würde er sie bestehlen oder in ihre Wohnungen einbrechen, um nicht selbst Ursache für ein verletztes Zuhause zu werden.
So kalt wie das Herz
Als er seinen Abschiebebescheid erhält, taucht er unter und lebt seitdem auf der Straße. Doch in »seiner« neuen Stadt versuchen nicht nur Flüchtlinge ein neues Leben anzufangen. Auch Drogenhändler und Rockerbanden aus Dänemark wollen sich für ihre kriminellen Aktionen einen neuen Markt erschließen und den einheimischen Banden den Rang ablaufen.
Sammy gerät zwischen die Fronten und erlebt, wie einer seiner zweifelhaften Freunde einen alten Mieter aus dem gleichen Haus zu Tode prügelt. Wenig später wird der Erschlagene auf der Straße von dem Au-Pair-Mädchen Gabriela überfahren, die sich in Finnland ebenfalls ein neues Leben erhofft. Da sie ebenfalls Ungarisch spricht, sucht sie die Nähe zu Anna Fekkete.
Das alles wären schon genügend Stichworte für einen sozialkritischen Thriller der Gegenwart. Es sind gleichzeitig Elemente einer weit übergreifenden Struktur, bei der es um ganz andere Dinge als das Offensichtliche geht. Sammy fühlt sich schrecklich schuldig und wird dem Leser dennoch ziemlich winzig gegenüber dem »ganz normalen Bürger« erscheinen, der sich mit einer unvergleichlich größeren kriminellen Energie vom Kuchen ein noch größeres Stück abschneiden möchte.
Katie Hiekkapelto hat wieder einen dunklen, schwermütigen Thriller geschrieben. Mit Anna Fekkete, die hier ihren zweiten Fall löst, bringt sie uns wieder ihre Ermittlerin näher, die auch nach Jahren in der unfreiwillig selbstgewählten Kultur mit der eigenen Fremdheit konfrontiert ist. Das betrifft sowohl ihre Herkunft als auch ihre Orientierungslosigkeit in persönlichen Beziehungen. Eben weil sie selbst so entwurzelt ist, kann sie sich möglicherweise besonders gut in eine Täter und Opfer hineindenken, für die das Überleben bereits gesichert wäre, wenn sie nur an den einfachsten Standards ihrer neuen Heimat teilnehmen könnten.
Kati Hiekkapelto greift in »Die Schutzlosen« auf eine feinfühlige Weise die Verzweiflung von Asylsuchenden auf, die nach Flucht und Verfolgung mit Urteilen und Vorurteilen konfrontiert werden, von denen sich die Willkommenskultur üblicherweise distanziert. Kati Hiekkapelto hält uns den Spiegel vor, wie sehr wir wirklich bereit sind, auf das Fremde im eigenen Land zuzugehen. – In Finnland ist das kaum anders als in Deutschland.