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Sasha Grey - Die Juliette SocietySasha Grey
Die Juliette Society

KEN. Im Jahr 2010 sagte die damals 22-jährige Sasha Grey, sie hätte als »Filmemacherin« eine gewisse Reife erreicht. Niemand müsse sich deshalb Sorgen um sie machen, vielleicht, weil sie Jesus gefunden hätte oder so. Es sei einfach Zeit für etwas Neues. Das Bisherige waren Pornos.

 
 

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Sasha Grey galt mit 18 als erfolgreichste Porno-Newcomerin aller Zeiten. Sex und Geld, auch Gewalt beim Sex für und ohne Geld, nahmen auf ihrer Landkarte der Lust einen ziemlich großen Raum ein. Was sie in der Wirklichkeit verpasste und was nicht einmal Platz in ihren Drehbüchern fand, setzte sie in ihrer Fantasie um. Dort gibt es keine Grenzen. Sie lebe eben nur einmal, habe eine begrenzte Zahl an Körperöffnungen und könne damit machen, was auch immer sie will.

»Wie der Fight Club - nur dass hier gevögelt wird.« - Sasha Grey

»Die Juliette-Society«  ist ein pornografischer Roman. Schon deshalb sollte man ihn nicht im Kinderzimmer von Leseanfängern liegenlassen. Die Filmstudentin Catherine entdeckt in der Geschichte sich selbst und ihre tatsächlichen Begierden und stößt dann doch irgendwann an ihre Grenzen. Das geschieht zunächst in der Fuck Factory, in der die Unisex-Klos für die schnelle Nummer zwischendurch und das Massenrammeln noch zum Durchschnitt gehören. Fliegt diese illegale Sex-Höhle auf, tauchen ihre Macher unter und gründen woanders einen neuen Club.

Der Gipfel von allem ist die Juliette Society, benannt nach der Schwester der Justine aus Marquis de Sades »Die 120 Tage von Sodom«. Juliette lebt ohne Scham jedes sexuelle Bedürfnis aus. Dafür - und während dessen - ist sie auch bereit zu töten. Catherine ist auf dem Weg, selbst eine Juliette zu werden. Aber sie liebt Jack, der das Wahlkampfbüro des Senators Robert de Ville leitet, während sie an der Uni Vorlesungen über erotische Motive in Filmklassikern wie »Citizen Kane« und »Vertigo« hört. Hier trifft sie Anna, die sie in eine Welt einführt, die Catherines geilste Träume überschreiten und am Ende sogar sie das Fürchten lehren.

In diesem Club hat Anna Kultstatus. Ihre Videos über Sex, Gewalt und Folter werden gefeiert wie oscarprämierte Filme. Jedes Mittel ist für die maximale Lust möglich, sogar eine üble Kombination aus Vibrator und Schlagbohrmaschine, der »Drilldo«.

Die Mitglieder der exklusiven Juliette Society, so wird Catherine später erfahren, »teilen eine Philosophie, die einzig dem Streben nach vollendetem Genuss dient.«  Sie haben gemeinsame Interessen, Ziele und unbegrenzte Mittel. Sie rechtfertigen ihre Orgien mit historischen Traditionen und heidnischen Kulten, die bis in die Zeit der Römer praktiziert und später unterdrückt worden sein sollen.

Vermutlich müsste ich aufwändig überprüfen, wie es mit der Geschichtstreue der Sasha Grey steht, wären Zahlen, Daten und Fakten nicht die natürlichen Feinde der erotischen Literatur. Bei Catherine zumindest verschwimmen Realität und Phantasie. Richtig nüchtern wird sie erst, als ihre Beziehung zu Jack bedroht ist, an dem ihr tatsächlich etwas liegt.

Eine der Gespielinnen der Juliette Society und Mitarbeiterin in Jacks Wahlkampfbüro hat Selbstmord begangen. Sie scheint nicht die einzige junge Frau zu sein, die Bundy, ein schmieriger Aufreißer für die Juliette Society kompromittierte und später mit Fotos im Internet erpresste. Irgendwann ist auch Anna verschwunden, und Catherine begibt sich in das Zentrum des sexuellen Sturms. Dagegen ist ihre ausführliche Betriebsanleitung für den Analsex mit Jack gar nichts. Sie gerät auf ihrer Suche nach der Freundin sogar in Gefahr, ihr eigenes Leben zu verlieren.

Sasha Grey ist mit über 200 Hardcore-Filmen ein gefeierter Pornostar. Sie hat sich mit 16 schon so sehr mit ihrem Lieblingsthema beschäftigt, dass sie – so in den USA die offizielle und rechtlich einwandfreie Version – zwei Jahre später den Pornofilm auf ein neues Niveau hob. Wahrscheinlich hat sie damit einen ähnlichen Weg bestritten wie Stephen King, der sich als Teenager heimlich Horrorfilme anschaute und dann entschied, es besser zu machen.

Was Sex angeht, ist Sasha Grey der Legende nach trotz ihrer jungen Jahre keine Spielart fremd. Das ist das eine. In »Die Juliette Society« stellt sie sich zusätzlich als Autorin vor, die auch von Filmgeschichte jenseits ihrer Pornos etwas versteht. Sie kann zudem über Politik und Religion philosophieren, wenn auch auf einem ähnlichen Niveau wie dass sie beim Blasen am Geschmack des Spermas erkennen kann, was der Spender zuvor in der Kantine auf dem Teller hatte.

Sasha Grey brach nach mehreren Jahren Hardcore zu neuen Ufern auf. Sie setzt sich splitterfasernackt für den Tierschutz ein, arbeitet als Musikerin, leidliche Sängerin, gibt Interviews - und schreibt. Vielleicht hat sie damit gerade noch den Absprung in die Vorabendprogramme und besten Sendezeiten geschafft. Rechtzeitig, bevor sie ihren mädchenhaften Körper und ihr hübsches Gesicht mit Silikon und Botox verhunzt. Spätestens das hätte neben ihrer erzkatholischen Mutter vermutlich auch ihr Vater abgelehnt.


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