Stephen King
Billy Summers

KEN. Stephen King kann auch ganz einfach Mord. Ohne außer- und überirdischen Schnickschnack. Wobei er in »Billy Summers« einmal in das alte Muster zurückfällt. Sein Roman schildert den letzten Auftrag eines Irak-Veteranen, der für die Halbwelt arbeitet und sein Talent zum Schreiben entdeckt.

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Billy Summers stellt sich normalerweise dumm. Er bietet seinen Auftraggebern dadurch die Möglichkeit, sich überlegen zu fühlen. So wie Jean Reno in »Léon – Der Profi«. Billy Summers soll einen Kronzeugen ausschalten und wird dafür von seinen Auftraggebern aufwändig in Szene gesetzt.

Rache oder Gerechtigkeit

Er tarnt sich als Schriftsteller und richtet sich für einen Roman in einem Bürogebäude ein. Zufällig mit Blick auf das Gerichtsgebäude für den Prozess. Dort beginnt Billy Summers seine Lebensgeschichte niederzuschreiben, vom gewaltsamen Tod der Schwester über seine Zeit bei Pflegeeltern, seine frühe Aufnahme in eine Spezialeinheit der Army, die Schrecken in Falludscha bis hin zu dem Job als ziviler Scharfschütze, der »böse Menschen« für andere böse Menschen ausschaltet.

Billy Summers will das nicht mehr. Dann werden ihm für seinen letzten Auftrag zwei Millionen und eine filmreif organisierte Flucht angeboten. Bisher hat er seinen Rückzug immer selbst organisiert und wurde nie erwischt. Damit das so bleibt, mietet er in einem Keller eine weitere Wohnung an und installiert sich dort mit einer weiteren Identität. Er kümmert sich liebevoll um die Blumen befreundeter Nachbarn, die ein unerwartetes Erbe mit einer Kreuzfahrt feiern. Er päppelt den vertrockneten Rasen auf und wird sogar der beste Freund einer anderen Familie. Mit deren Kindern spielt er Monopoly, besucht mit ihnen einen Jahrmarkt, und sie malen ihm dafür anrührende Bilder.

Alles Fehler, die Billy Summers sonst nie gemacht hätte. Er hat sich auf Nähe eingelassen und würde das Vertrauen seiner neuen Freunde verraten. Hinzu kommt, dass er sich nach dem Mord um Alice Maxwell kümmert. Die 20-Jährige wird von ihren Vergewaltigern wie Müll just vor seinem Kellerfenster auf den Rasen gekippt.

Für Alice Maxwell wird Billy Summers so etwas wie großer Bruder, Beschützer und Therapeut. Er wird Vollstrecker der Strafe für das, was die jungen Männer aus einer Wohngemeinschaft ihr nach den K.o.-Tropfen angetan haben. Und Alice wird die erste Leserin all dessen, was er über sein Werden und Vergehen verfasst hat.

Stephen King hat im Nachwort zu seinen letzten Büchern stets berichtet, wie er zu seinen Ideen kam, wie er mit seinen Figuren lebt, wer für ihn die Fakten überprüft und warum er einen Roman so und nicht anders umgesetzt hat. Zu »Billy Summers« gibt es nur eine Drittel Seite Danksagungen, denn alles andere über das Schreiben macht bereits den größten Teil dieses Romans aus.

Billy Summers schreibt kindlich über seine Kindheit, erlebt die Pubertät als pubertierender Erzähler. Schon bald reift er zum detailgenauen Reporter und schildert das Überleben in den Feuergefechten mit den Mudschaheddin. Dann wächst er in die Routine des Scharfschützen hinein, der weitermacht, wo er vor seiner Entlassung aus der Army aufhörte. Diese Passagen lesen sich, als wäre Billy Summers schon immer gewesen, was Stephen King als Streiter für jede Nuance erst werden musste. Und selbstverständlich bleibt der Roman auch dann noch bei seinem Schreiben über das Schreiben spannend.

Selbstverständlich fügt Stephen King dem Crime auch das Sexuelle hinzu. Bei »Billy Summers« geschieht auch das so beiläufig, respektvoll und dezent, dass Alice Maxwell ihr Trauma überwinden und eine reife Persönlichkeit werden kann.

»Das Leben und das Schreiben« ist der Titel eines anderen, autobiografischen Buchs von Stephen King. Und »Billy Summers« ist ein Roman. Andererseits kann man das bei einem »erstklassigen Wahnsinnigen« (King über King) nicht so genau wissen. Vielleicht ist in »Billy Summers« der zweite Teil von »Das Leben und das Schreiben« einfach mit drin.